Rezension zu Bavarität 2/3
Mit bayerischer Baukultur aus der Krise? (Manuel Kögelmaier, DAB 07/24)
Der gut 130 Seiten umfassende Band konstatiert zahlreiche, die Gegenwart prägende Krisen, auf die er Antworten aus Architektur und Baukultur innerhalb des Freistaats Bayern zu geben sucht. Dabei orientiert sich Kammerbauer an einem breiten, um soziale Fragen erweiterten Raumbegriff, der die Deutung der Krisen als räumliche Phänomene zulässt. Angelegt ist das Buch als aktualisierte und erweiterte Sammlung bereits veröffentlichter Texte. So entsteht ein Querschnitt durch das essayistische Schaffen des Autors in den letzten sechs Jahren. Daher finden sich darin hochaktuelle Themen wie jenes des Hochwasserschutzes, aber auch solche, denen man ihr Alter ein wenig anmerkt. Im Ergebnis gliedert sich die Neuzusammenstellung in Abschnitte zu „Raum als Text“, „Raum als Krise“, „Raum für Baukultur“, „Raum zum Wohnen“ und den abschließenden „Raum für Visionen“. Als übergreifender Leitgedanke fungiert der Begriff der „Bavarität“, wenngleich Kammerbauer selbst fragt, ob der „Kulturraum Bayerns auch eine (‥.) verflochtene soziokulturelle Leistung“ hervorbringt, ob eine solche „Bavarität“ tatsächliche existiere. Inhaltlich entwickelt Kammerbauer einen lockeren und humorvollen Zugang zu seinen nicht immer angenehmen Themen. So können informierte Leserinnen und Leser einen Mehrwert daraus ziehen, das Dramenwerk des Franz Xaver Kroetz auf bauliche Gegebenheiten hin zu lesen oder einem fiktiven Dialog zwischen den Architekten Ludwig Mies van der Rohe und Sep Ruf beizuwohnen.
Letzteren versteht Kammerbauer als Teil einer „kontrafaktischen Architekturkritik“, womit der Versuch gemeint ist, sich mit fiktiven literarischen Mitteln einem gebauten Raum anzunähern. Der Band entfaltet sein Potenzial vor allem dort, wo er greifbare Beispiele porträtiert und mit Schlagworten wie Krise, Nachhaltigkeit und Partizipation einordnet. Dies betrifft Themen wie den Wiederaufbau von Wohnhäusern nach Hochwasserschäden oder genossenschaftlich organisierte Wohnprojekte. Außerdem wurden beispielsweise Interviews zu den Ansichten junger Vertreterinnen und Vertreter von Planungsbüros zur Baukultur wiederabgedruckt. Diese informativen Passagen sind eingebettet in einen meinungsstarken Rahmen, der sich dann zeigt, wenn Kammerbauer schreibt, es sei „noch nicht einmal eindeutig bewiesen, dass Lagerhallen überhaupt ein Produkt architektonischer Arbeit“ wären. Das Buch ist reichlich bebildert, jedoch obliegt es der Leserin bzw. dem Leser, das ein oder andere Gebäude, welches nicht abgedruckt werden konnte, selbst im Internet zu recherchieren. Im besprochenen Band werden vor allem jene Leserinnen und Leser Neues entdecken, die mit Kammerbauers Wirken bislang noch nicht vertraut sind. Insofern sie einen niedrigschwelligen, breit gefächerten Einstieg in die lokale Architektur und ihre Problemfelder suchen, stellt Kammerbauers Buch einen geeigneten Startpunkt dar. Dies nicht zuletzt, da der spürbare Wunsch, an der Entwicklung einer leistungsfähigen, angemessenen und integrativen Baukultur durch das Verdichten mutmachender Beispiele beteiligt zu sein, sich durch das gesamte Werk zieht.
Bavarität – Krisenbewältigung im baukulturellen Raum. Springer Spektrum

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