Das sinnliche Universum des Fritz Koenig am Ganslberg – Eine Reise mit Markus Stenger

Pferde und Bronze, Wiesen und Wälder – wäre es so einfach, könnte man damit die Präsenz der künstlerischen Naturgewalt Fritz Koenig am Ganslberg beschreiben. Die Geschichte ist erwiesenermaßen nicht so einfach, lässt sich jedoch durch gebaute Artefakte nachzeichnen. Dazu gehört die Halle, die für die Herstellung der Kugelkaryatide am World Trade Center in New York errichtet wurde, das Anwesen des Ehepaars Maria und Fritz Koenig ebenso wie die Afrikahalle, die sie umgebende Landschaft, die Wegeführung, die Kunstwerke. Am Samstagvormittag traf sich eine Besuchergruppe, um der Führung durch das Areal – dem "Koenig-Compound", wenn man es so nennen möchte – durch den bayerischen Architekten Markus Stenger beizuwohnen. Er ist verantwortlich für die schrittweise bauliche Wiederherstellung der Anlage und demonstrierte, wie er die architektonische Dimension Koenigs qualifiziert einzuordnen weiß. Diese Wiederherstellung ist eine Annäherung an einen Künstler, der gebaut hat – eine Interpretation, die seine Räume und Details neu bewertet und materialisiert. Seine Erläuterungen verwiesen daher und stets auf das Gebaute, waren kenntnis- wie detailreich und offenbarten einen besonderen Sinn für das kulturell Verwurzelte, für das Emotionale und ja, auch für das Humorvolle dieses Koenig-Universums. Hier ist es der Beton, der durch Fichtenschalung haptischen Charakter erhielt, dort das überhöhte Scheunentor, durch das die Kugelkaryatide aus der Halle bewegt werden konnte. Hier sind es die historischen Steintröge der aufgereihten Wassergranden, die Spiritualität vergegenständlichen, dort die Ställe der Pferde, Orte des animalisch Physischen. Immer wieder, die Pferde: Ihr Wesen, ihre Vermählung, ihre Verschmelzung zu Hybrid- und Zerlegung zu Fragmentwesen. Das Archaische, das die Realität zu etwas herunterkocht, das unterhalb des Verständnis der Sprache womöglich ein sinnliches "Verständnis an sich" auf der Ebene des Kunstwerks be-dingt. Die hölzernen Kathedralen, die sich über den Hallen entfalten. Der private Raum der Wohnung, an der Wand der Schatten des künstlerischen Behangs. Die Naturidylle unter Bäumen. Das unerwartet in Erscheinung tretende Atelier, eine bauliche Reinkarnation der typischen Künstlerateliers der Akademie in München, die Koenig besuchte. Die von unheimlicher Präzision beseelten Zeichnungen, erotischer Fiebertraum und Vorhall metallenen Seins zugleich.
Stenger beweist sich als ein bestimmter Typus eines Koenig-Intimus, denn ihm geht es um die architektonische Dimension Koenigs. War er Bildhauer oder Architekt oder beides und gar mehr? Stenger sagt: "Er war nicht abergläubisch, aber er war Architekt." Damit verweist er auf eine rationale Poetik des Bauens, die er als das "Schreiben mit Geometrie" bezeichnet und an baulichen Details festmacht. Hier die Anordnung der Fenster der Hoffassade des Wohnhauses, dort die Fugen an den hölzernen Abschnitten des Eingangsportals. Hier das zurückgesetzte große Fenster an der Stirnseite der Afrikahalle, die aus dem Außenbereich einen Ausstellungsraum macht. Dort die Ställe für die Pferde, zu denen sich die Koenigs im Fellumhang gesellten. Stengers blickt blitzt über die Grenzen des Koenig-Universums hinaus, indem er auf Barragan und Loos verweist, hier die erschöpfende Arbeit am eigenen Wohnraum, dort die Befassung mit der reduktionistischen Kraft der Gebrauchs-Gegenstände. Nicht zuletzt ist es das hölzerne Modell eines Sargs, das die Verbindung zur Architektur zementiert. Das Modell ist am Ganslberg ausgestellt.
Es war mein erster Besuch am Wohn- und Arbeitsort Fritz Koenigs. Mein Bezug zu Koenig geht zurück auf das Jahr 2000, als ich zum ersten Mal den World Trade Center besuchte, wo seine Kugelkaryatide aufgestellt war und sich in 15 Minuten um sich selbst drehte, von einer Wasserfläche umkreist. Ich war 50 Kilometer von Ground Zero entfernt, als am 11. September 2001 die Twin Towers durch einen Terrorangriff zerstört wurden. Die Kugel wurde wiedergefunden, zeigte Wunden, offenbarte ihr skelettales Inneres. Reparieren? Nein! Die Wunden sollten gezeigt werden. Der Krieg war in Koenig, und der Krieg in seinem Werk wurde in diesem Moment zu einem Teil von mir. Es ist nur naheliegend, diesen zu New York komplementären niederbayerischen Schauplatz, das Areal in der Nähe von Landshut zu besuchen. Für dessen Entschlüsselung habe ich Markus Stenger zu danken.

Kosmos Koenig bei den Museen der Stadt Landshut













Comments

Popular posts from this blog

Bavarität zu Gast bei Schnitzer&

Jubiläumsveranstaltung der Landshuter Bauminitiative

Weg zur Bavarität – sechster Teil