California bad dreaming, again

Die besondere und grausame Ironie dieses Beitrags von 2018 über Waldbrände, Katastrophenmanagement und Raumentwicklung ist, dass wir es mit dem selben Staatschef zu tun haben werden, der bereits damals Verantwortung trug. Ich poste den Beitrag hier in voller Länge.

Geschickte Politiker können den Katastrophenfall medienwirksam zu ihrem Vorteil
nutzen, wie es Bill Clinton während des Mississippi-Hochwassers 1993 und Gerhard
Schröder während der Elbe-Flut 2002 taten. Wahrscheinlich lag ihnen die Hilfe für die
betroffenen Menschen auch tatsächlich am Herzen. Der US-amerikanischen
Wählerschaft mag man dahingehend eine überraschende Innovationsleistung
unterstellen. Sie haben bekanntlich eine Medienfigur zum Präsidenten gemacht, die
zudem grandios unterqualifiziert ist für den Job der mächtigsten Person der Welt. Dies
äußert sich auf besonders unglückliche Weise im Krisenmanagement, wie man in den
letzten Tagen und Wochen beobachten konnte.


Waldbrände in Kalifornien
Katastrophale Waldbrände in Kalifornien führten auch dieses Jahr wieder zur Zerstörung von
Häusern, zur Evakuierung von Anwohnern und zu Todesopfern. Die Antwort des Präsidenten
war zunächst nicht, wie durch das National Response Framework gesetzlich vorgegeben, die
Erklärung eines Notstandes und damit verbunden die Freischaltung von Hilfsgütern. Nein,
stattdessen warf er den Verantwortlichen in Kalifornien Fehler vor und lud zum Ortstermin
sogar nach: Eine wirksame Krisenvorsorge solle darin bestehen, die Wälder „sauber“ zu
halten. Mit dem Gartenrechen. So habe es angeblich auch der finnische Ministerpräsident
seinem amerikanischen Gegenüber bestätigt, was jedoch zahlreiche Dementis und Internet-
Spottbilder zur Folge hatte. Zudem brüskierte POTUS beim Ortsbesuch die Betroffenen (er
machte aus dem Ortsnamen „Paradise“ kurzerhand „Pleasure“, ist für ihn vielleicht auch
einfach dasselbe), die Behörden vor Ort (die Forstwirte selbst hätten das Feuer erst möglich
gemacht) sowie den Gouverneur (Klimawandel sei bekanntlich Unfug). Als Hintergrund
dieser Trumpschen Deutung der Wirklichkeit mag man die Absicht zur Privatisierung der
staatlichen Waldgebiete Kaliforniens vermuten. Damit verbunden ist die Aussicht auf
lukrative, wenn auch höchst riskante Immobilienentwicklung.


Dressierte „Wilderness“
Moderne Gesellschaften machen es ohnehin erst durch institutionelle Rahmenbedingungen
wie Katastrophenschutz oder privatwirtschaftliche Mechanismen wie Versicherungen
möglich, dass die „Wilderness“ so massiv besiedelt werden kann. Im globalen Süden sind es
zumeist arme oder marginalisierte Menschen, die katastrophale Schadensfälle kaum alleine
bewältigen können. In entwickelten Industrienationen gilt dies paradoxerweise auch für
Betroffene mit Zugang zu Ressourcen, wenn das Katastrophenmanagement nicht funktioniert
oder wenn Versicherungen Schäden anders bewerten als die Geschädigten. Doch es fällt
schwer, menschliche Interventionen in die Umwelt als „Wurzel des Übels“ zu betrachten.
Daher stellt sich die Frage, warum es in Kalifornien immer wieder zur Katastrophe kommt
und was man in Zukunft tun muss, um solche Brände in Siedlungsgebieten schneller
einzudämmen oder gar ganz zu vermeiden.


Der Vorgartenrasen ist das Problem
Ein bereits im Mai dieses Jahres an den kalifornischen Gouverneur gerichteter, vom
California Chaparral Institute mit weiteren NGOs verfasster Bericht weist auf die Ursachen
hin. Es liegt demnach weniger an den Wäldern, wenn Brände Menschen gefährden. Vielmehr
tragen starke Winde Glut und Asche in Richtung teils offener, teils besiedelter Bereiche, wo
weitere Brände entfacht werden. Somit ist es die Umgestaltung von indigenen Naturräumen
durch planerische Eingriffe und die großflächige Bebauung mit brennbaren Materialien, die
zu den kalifornischen Brandkatastrophen beitragen. Nun wird ausgerechnet der unverstellte
Vorgartenrasen zum Problem; den haben die Amerikaner gern, insbesondere zur
Wertsteigerung ihrer „Frontage“, der verkaufsträchtigen Vorderansicht eines
Einfamilienhauses. Fatal ist auch eine Fassade oder eine Dacheindeckung aus brennbarem
Material. Ein Blickwechsel ist vonnöten. Statt den Wald zu „kontrollieren“, um Brände zu
vermeiden, die doch nicht vermieden werden können, sollte man zuerst die Sicherheit der
Häuser und ihrer Bewohner gewährleisten.


Was tun?
Der Bericht schlägt daher konkrete Maßnahmen vor, um zu verhindern, dass Winde Glut und
glimmende Asche in Richtung brennbarer Bauten wehen und dazu führen, dass sich
Waldbrände ausbreiten. Es gilt, Häuser nachzurüsten und an die bestehenden Umweltrisiken
anzupassen. Als technische Lösungen eignen sich Sprinkler im Außenbereich (wie sie in
Australien und Kanada bereits eingesetzt werden) und glutabweisende Lüftungsöffnungen
und Lüftungsklappen. Hölzerne Dachkonstruktionen sowie brennbare Dachdeckung und
Fassadenverkleidung sollen durch feuerwiderstandsfähiges Material ersetzt werden.
Schließlich ist es notwendig, brennbare Vegetation in einem Umkreis von 30 Metern um
Wohnhäuser herum zu überwachen. Diese Lösungen sollen in lokalen Bauordnungen
verankert und durch Bundesmittel gefördert werden. Die ersten Massnahmen zeigen bereits
Wirkung. Die Stadt Monrovia hat durch den Rückkauf von Grundstücken mit hohem
Brandrisiko einen Puffer errichtet. Dieser vermindert die Gefahr umherfliegender Asche und
Glut. In der Ortschaft Big Bear Lake wurden erfolgreich Bundesgelder zur Förderung
widerstandsfähiger Bauweisen angeworben, und die Verantwortlichen halfen den
Nachbargemeinden bei deren Antragstellung.


Klimawandel zu Thanksgiving
Der Schluss des Berichts bekräftigt, dass der Klimawandel in Kalifornien sich nachteilig auf
den Erhalt der indigenen Naturlandschaft auswirken wird. Dies betrifft den Chaparral, einen
Vegetationstypus mit dichtem Bewuchs an Hartlaubgehölzen, die mit ihrer dicken Rinde
besonderes an die periodischen Waldbrände Kaliforniens angepasst sind. So erscheint es
geradezu als bösartige Ironie, wenn das Weisse Haus einen tausendseitigen Bericht zum
Klimawandel am Thanksgiving-Feiertag an der US-amerikanischen Gesellschaft
„vorbeimogelt“. Einen Bericht, der die Auswirkungen des Klimawandels auf Umweltrisiken
klar und dramatisch ausdrückt. Wenn sich das Klima weiterhin auf die beobachtete Weise
verändert, bedeutet dies auch, dass Waldbrände zunehmen und stärker werden. Der
momentane Anführer der angeschlagenen freien Welt nutzte seinen modernen
Kommunikationskanal umgehend, um die reale Brisanz des Berichts postfaktisch zu
revidieren.


Geschick gefordert
Man darf sich aber nicht täuschen lassen. Wir Menschen urbanisieren den Planeten immer
mehr. Dadurch steigt auch das Katastrophenrisiko. Um nicht ganz in die Dystopie abzugleiten
– die Verantwortlichen vor Ort haben begriffen, dass der Zusammenhang zwischen
Landschaft und Besiedlung essenziell für eine wirksame Vorsorge ist, ebenso wie die
Kommunikation und Koordination über die Ortsgrenzen hinaus. Man darf also hoffen, dass
hier der Schlüssel zur Anpassung an sich verändernde Umweltbedingungen liegt. Der
zweifellos langwierige Wiederaufbau darf aber nicht in überkommene Muster verfallen. Für
Kalifornien bedeutet das, sich zu überlegen, wie die Schnittstelle zwischen dem indigenen
Chaparral und den urbanisierten Siedlungsbereichen aussehen kann und welche baulichen
Strukturen hier das Leben der Menschen nachhaltig sichern können. Somit ist ganz klar
landschaftsarchitektonisches, städtebauliches und architektonisches Geschick gefordert.

Comments

Popular posts from this blog

Bavarität zu Gast bei Schnitzer&

Veranstaltungshinweis – Landshut ist schön. Warum ist das so? – Gespräche zur bayerischen Baukultur

Jubiläumsveranstaltung der Landshuter Bauminitiative