Rezensionen zu Bavarität 3/3

Rezension zu Bavarität (Detlev Kurth, Raumforschung und Raumordnung 03/25)
Das Buch „Bavarität“ von Mark Kammerbauer beschäftigt sich mit der vielschichtigen Baukultur in Bayern und wie sie auf multiple Krisen reagiert, historisch und in der Gegenwart. Der Autor verknüpft dafür Ansätze aus Architektur, Städtebau und Stadtplanung in einem sozioökonomischen und kulturellen Kontext. Besonders hervorgehoben wird dabei der partizipative Ansatz, aber auch die Frage, wie Baukultur im öffentlichen Raum gesehen und verstanden, aber auch imaginiert werden kann. Es handelt sich um eine Sammlung von teils sehr unterschiedlichen Aufsätzen, die der Autor zu Themen der Baukultur verfasst hat. Baukultur in Bayern steht in einem steten Spannungsfeld aus Urbanität und Ruralität, aus Bodenständigkeit und Internationalität. Im Kontext des ländlich-städtischen Kontinuums, in dem Tradition und Moderne interagieren, schlägt der Autor den Begriff „Bavarität“ für diese soziokulturelle Leistung vor. Sehr deutlich wird dies am Beispiel des Tucherparks im Englischen Garten in München, einem der ersten ‚modernen‘ Büroparks in Deutschland. Der Bauherr machte gemeinsam mit dem Architekten Sepp Ruf eine Studienreise in die USA und wollte sich am Vorbild Mies van der Rohe orientieren, um die Internationale Moderne nach München zu holen. Mark Kammerbauer imaginiert diese Reise mit möglichen Begegnungen. Letztlich wurde aus dem Tucherpark ein „bavarisch“ adaptiertes Projekt, eine spezifische Mischung aus US-Einfluss und bayerischer Interpretation. Dieser einst zeitgemäße Büropark steht jetzt unter Denkmalschutz, er muss mit seinen funktionalen und baulichen Mängeln saniert werden, über die künftige Umplanung wird heftig diskutiert. Mark Kammerbauer verweist immer wieder auf die Bedeutung von Baukultur für die Krisenbewältigung, nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs oder nach Naturkatastrophen. Dafür zeigt er ausführlich einige Beispiele des Wiederaufbaus in der Nachkriegszeit, wie das Pellerhaus in Nürnberg als schöpferische Wiederherstellung, ein wunderbares Beispiel der Nachkriegsarchitektur, das heute wieder umstritten ist. Seine These ist, dass Krisen im Raum sichtbar werden, und dass umgekehrt Baukultur auf Krisen bzw. Krisenbewältigungen hinweisen kann. Dafür zeigt er Beispiele aus der Zeit der Pandemie, wo zuerst in prekären Wohnlagen und Massenunterkünften das Virus ausbrach, und wo das Virus bekämpft wurde, ohne die wohnungspolitischen Probleme anzugehen. Außerdem werden Beispiele der Zersiedelung der Landschaft durch große Gewerbebetriebe gezeigt und aus dem Wiederaufbau nach Hochwasserkatastrophen. Mark Kammerbauer betont hier neben der baulichen Resilienz auch die sozialen und bürokratischen Probleme. Letztlich plädiert er für „Sonderplanungsbereiche“, in denen Kompetenzen konzentriert werden, Verfahren beschleunigt, Partizipation gebündelt, um den Wiederaufbau nicht inkrementalistisch, sondern im Rahmen einer Gesamtstrategie zu bewältigen – ein wichtiger Ansatz für einen strategischen, planerischen Wiederaufbau, der viel zu selten verfolgt wird. Die grundsätzliche Frage dahinter lautet immer wieder: Kann der Wiederaufbau nicht nur als Rekonstruktion, sondern nachhaltiger und besser erfolgen, im Sinne einer resilienten Stadtentwicklung, eines „building back better“-Ansatzes? (…) Es ist wieder mehr Bestandspflege gefragt, aber auch der präventive Bestandsumbau zur Stärkung der urbanen Resilienz. Das Buch gibt hierfür interessante Anregungen und Beispiele (…)

 

Bavarität – Krisenbewältigung im baukulturellen Raum. Springer Spektrum

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